Bilsenkraut, schwarzes
Die Verwendung von Bilsenkraut hat in zweierlei Hinsicht eine lange Tradition: als Gift- und Heilpflanze. Aus zahlreichen historischen Dokumenten ist ihre Anwendung in der antiken Medizin belegt. Die Einsatzgebiete der Pflanze waren vielfältig. Im 1. Jahrhundert nach Christus verordnete zum Beispiel der griechische Arzt Dioskurides die Pflanze als Schlafmittel, wenn seine Patienten nicht zur Ruhe fanden. Der italienische Arzt Matthiolus achtete die blutstillende Wirkung der Pflanze. Krämpfe, Geschwüre und Schmerzen waren weitere Indikationen. Im Mittelalter diente die Pflanze vielen Ärzten als Narkosemittel, etwa bei chirurgischen Eingriffen. Heute steht die entkrampfende und beruhigende Wirkung des Bilsenkrauts im Vordergrund.
Wissenschaftlicher Name: Hyoscyamus niger.
Charakteristik
Bilsenkraut ist ein Nachtschattengewächs, welches ursprünglich aus Europa, Asien und Nordafrika stammt. Inzwischen ist die Pflanze auch in Nordamerika und Australien heimisch.
Das Kraut erreicht eine Wuchshöhe von bis zu 80 cm. Seine Blätter sind länglich-eiförmig und gezähnt, meist von graugrüner Farbe. Die Blüten sind beblätterte zurückgerollte Ähren mit einem krugförmigen Kelch. Meist sind sie von gelber Farbe mit violetten Adern, im Schlund oft dunkelviolett. Die Früchte sind bauchig und bis zu 1,5 cm lang. Jede Frucht enthält bis zu 200 nierenförmige, 1 mm große Samen. Die Blüten zeigen sich von Juni bis Oktober, geerntet wird die Pflanze von Juli bis September.
Medizinische Verwendung
Medizinisch verwendet werden die getrockneten Blätter (Hyoscyami folium) und die getrockneten Samen (Hyoscyami semen). Gelegentlich kommt die ganze frische und blühende Pflanze zum Einsatz. Als fertige Zubereitungen gibt es Bilsenkrautöl (Hyoscyami maceratum oleosum) und Bilsenkrautblättertinktur (Hyoscyami tinctura). Die homöopathische Urtinktur wird aus dem blühenden schwarzen Bilsenkraut gewonnen.
Alle Pflanzenteile enthalten stark wirksame Tropanalkaloide, die Teile des unwillkürlichen Nervensystems hemmen und die glatte Muskulatur entkrampfen. Bereits der stark aromatische Geruch der Pflanze wirkt betäubend. Doch den höchsten Wirkstoffgehalt weisen die Samen auf. Schon 15 Samenkörner können für Kinder tödlich wirken.
Anwendungsbereiche
Innere Anwendung: bei Krämpfen im Verdauungstrakt
Äußerliche Anwendung: als Bilsenkrautöl zur Narbenbehandlung
Innere Anwendung in der Volksmedizin: bei verschiedenen Schmerzsyndromen, insbesondere bei Zahn- und Gesichtsschmerzen, schmerzenden Tumoren und Geschwüren, Magenkrämpfen und Unterleibsentzündungen, als Räuchermittel gegen Asthma
Traditionelle Chinesische Medizin: bei Hustenanfällen
Indische Medizin: bei Zahnschmerzen, Zahnfleisch- und Nasenbluten, Regelbeschwerden, Wurmbefall, blutigem Erbrechen, Asthma, verschiedenen Schmerzsyndromen, Hirnhautentzündung
Homöopathie: bei Migräne, Husten, Bronchitis, Nervosität, Manien, Unruhe und Schlafstörungen
In Lebensmitteln: Bilsenkraut wurde früher Bier beigemischt, um die berauschende Wirkung des Getränks zu verstärken. Erst durch das deutsche Reinheitsgebot aus dem Jahr 1516 wurde die Beimischung zum Bier untersagt. Einige Theoretiker halten es sogar für möglich, dass der Name Pilsener von Bilsenkraut kommt.
Sonstige Anwendung: als Mittel gegen Mäuse und Ratten (Rattengift)
Dosierung
Tagesdosis: maximal 3 g Pulverdroge oder 0,2-0,5 ml Fluidextrakt. Bei eingestelltem Pulver und Fluidextrakt aus der Apotheke wird der Alkaloidgehalt auf einen fest definierten Wert gebracht. Die Einnahme uneingestellten Pulvers ist wegen der Vergiftungsgefahr nicht zu vertreten.
Homöopathie: nach Angabe des Homöopathen
Risiken und Nebenwirkungen
Wegen der geringen therapeutischen Breite sollte die innerliche Anwendung ausschließlich nach Absprache mit dem Arzt oder Apotheker erfolgen. Mögliche Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Pupillenerweiterung, Herzrasen, Sehstörungen, Störungen der Blasenentleerung, Verstopfung, Wärmestau und Hautrötung.
Bilsenkraut beeinflusst die Wirkung einiger Medikamente. Apotheker bieten einen Wechselwirkungs-Check an.
Schwere Vergiftungen sind besonders bei Missbrauch der Droge als Rauschmittel denkbar.
Quelle: Thomas Brendler, Joerg Gruenwald, Christof Jaenicke: Heilpflanzen CD-ROM (Herbal Remedies), 2003 MedPharm