Schwitzen, übermäßiges
Übermäßiges Schwitzen (Hyperhidrose, Hyperhydrose): Krankhafte Überfunktion der Schweißdrüsen, v. a. an Handflächen, Füßen und unter den Achseln. Als eigenständiges Krankheitsbild tritt übermäßiges Schwitzen bei 5 % der Bevölkerung auf, insbesondere in Zusammenhang mit Stresssituationen. Häufig findet es sich auch als Begleiterscheinung von Übergewicht und allgemeinen Erkrankungen oder als Nebenwirkung von Medikamenten.
Leitbeschwerden
- Übermäßiges Schwitzen, das entweder lokal (z. B. an Händen oder Achselhöhlen) oder am gesamten Körper auftritt
- Feuchtigkeitsgefühl, Schweißgeruch und nasse Flecken auf der Kleidung
- Bei Schweißausbrüchen an der Hand meist kühle, eventuell sogar weiß-bläulich verfärbte Handflächen.
Die Erkrankung
Der Mensch schwitzt, wenn der Stoffwechsel angeregt wird, z. B. beim Sport, bei großer Hitze oder in Stresssituationen. Wird die Produktion der Schweißdrüsen jedoch schon beim kleinsten Anlass stimuliert, liegt ein krankhaftes und behandlungsbedürftiges Geschehen vor.
Schweißgeruch entsteht durch auf der Haut lebende Bakterien, die die organischen Bestandteile des eigentlich geruchlosen Schweißes zersetzen. Bei dauerhafter Schweißüberproduktion nimmt die Anzahl der geruchsbildenden Bakterien zu. Wiederholtes Schwitzen weicht außerdem die Haut auf und erhöht die Anfälligkeit für Ekzeme, z. B. chronisch-toxisches Kontaktekzem, und Infektionen.
Das Beschwerdebild kann den gesamten Körper betreffen (generalisierte Hyperhidrosis) oder einzelne Körperregionen wie Achseln, Hände, Füße, Oberschenkel oder Kopf (lokalisierte Hyperhidrosis). Eine übermäßige Schweißproduktion ohne erkennbare Ursache setzt häufig bereits in der Pubertät ein. Spontan oder ausgelöst durch Nervosität, Stress oder geringfügige körperliche Anstrengung kommt es zu regelrechten Schweißausbrüchen – bis zum sichtbaren Tropfen der Handflächen. In ausgeprägten Fällen stellt die generalisierte Hyperhidrosis eine erhebliche psychische Belastung dar. Aus Angst vor Schweißflecken, unangenehmem Körpergeruch oder der Notwendigkeit, die nasse Hand zum Gruß zu reichen, ziehen sich manche Betroffene aus dem sozialen Leben zurück.
Im höheren Lebensalter findet man übermäßiges Schwitzen oft als Folge starken Übergewichts sowie im Rahmen bestimmter Grunderkrankungen, z. B. Schilddrüsenüberfunktion, Parkinson-Krankheit oder einer chronischen Infektion. Anfallsartige Schweißausbrüche sind in Form von Hitzewallungen eine typische und häufige Beschwerde in den Wechseljahren. In seltenen Fällen geben sie einen Hinweis auf hormonelle Erkrankungen, z. B. ein Phäochromozytom. Wenn übermäßiges Schwitzen vorwiegend nachts auftritt, kann ein dickes Federbett oder eine zu hohe Zimmertemperatur, aber auch eine systemische Erkrankung die Ursache sein. So findet sich Nachtschweiß typischerweise bei manchen rheumatischen Erkrankungen, bei Tuberkulose oder bei Lymphomen.
Das macht der Arzt
Der Arzt klärt zunächst, ob die vermehrte Schweißproduktion im Rahmen einer therapiebedürftigen Grunderkrankung auftritt. Bei der Diagnose ist vor allem die Anamnese sehr wichtig, da weder Laborwerte noch apparative Diagnostik wirklich aufschlussreich sind. Um den Schweregrad der Erkrankung festzustellen, kann der Dermatologe Tests zur Schweißzusammensetzung (Jod-Stärke-Test nach Minor) als auch zur Schweißmenge (Gravimetrie) durchführen. Lässt sich die Ursache nicht ermitteln oder behandeln, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl, die Schweißbildung zu reduzieren:
- Tabletten vermögen die Schweißbildung am gesamten Körper in begrenztem Ausmaß zu reduzieren, sind jedoch wegen erheblicher Nebenwirkungen wenig in Gebrauch.
- Sind lediglich Handteller oder Fußsohlen betroffen, ist oft eine Schwachstromtherapie (Iontophorese, auch Iontopherese) erfolgreich. Dabei taucht der Patient mehrmals pro Woche Hände oder Füße in ein salzhaltiges Wasserbad, durch das Gleichstrom (10–15 mA) geleitet wird.
- Zur Therapie von verstärktem Achselschweiß eignen sich Spritzen mit stark verdünntem Botulinumtoxin (Botox®). Eine gelegentliche Wiederholung ist erforderlich, frühestens jedoch nach einem halben Jahr.
- Ist nur die Achselregion betroffen, besteht auch die Möglichkeit einer Schweißdrüsenabsaugung (Suktionskürrettage), die sich ambulant durchführen lässt.
- Die Sympathektomie (endoskopisch transthorakale Sympathektomie, ETS): Operative Durchtrennung des Grenzstrangs im Bereich der Brustwirbelsäule) hilft, wenn vorwiegend Gesicht, Achseln und/oder Hände betroffen sind. Diese minimal-invasive Operation wird unter Vollnarkose durchgeführt und bessert die Symptome erheblich. Als komplikationsreiches Verfahren bleibt sie jedoch auf Fälle beschränkt, die sich nicht anders behandeln lassen. Häufigste Komplikation ist das kompensatorische Schwitzen an anderen Hautarealen wie Rücken, Bauch oder Schritt, das in bis zu 85 % der Fälle auftritt.
Bei übermäßigem Schwitzen der Hände (palmarer Hyperhidrose) sind folgende Optionen gegeben und als Stufentherapie einsetzbar:
- Topische Therapie mit Antiperspiranzien (v. a. Aluminiumsalzen)
- Leitungswasserlontophorese
- Systemische Therapie mit Antihidrotika (Salbei, Bornaprin, Mantheliniumbromid)
- Chemische Denervierung mit Botulinumtoxin
- Sympathektomie/Sympathikolyse.
Die Behandlung mit Aluminiumsalzen kann durch den Hausarzt erfolgen. Untersützend kann bei Bedarf Salbei gegeben werden. Reduziert sich das Schwitzen dadurch nicht, ist für eine invasivere Therapie ein Dermatologe aufzusuchen.
Selbstbehandlung
Bei normalem Schwitzen an einzelnen Körperregionen helfen meist handelsübliche kosmetische Produkte (z. B. Deo-Roller, Deosprays) oder spezielle Fußpflegeprodukte wie Fußpuder, -sprays o. Ä. (Gehwol®, Allgäuer Latschenkiefer, Hidrofugal®). Deodoranzien mit Wirkstoffen wie Chlorhexidin oder Triclosan wirken der bakteriellen Zersetzung des Schweißes entgegen und reduzieren auf diese Weise den unangenehmen Geruch. Antitranspiranzien mit Aluminiumsalzen hemmen dagegen die Schweißproduktion. Erfahrungsgemäß lässt sich die Geruchsbelästigung durch parfümhaltige Deos gut behandeln. Allzu aggressiv sollte man die örtliche Therapie jedoch nicht betreiben, da sonst die normale Hautflora geschädigt wird.
Reichen handelsübliche Produkte nicht aus, sind in der Apotheke Präparate mit Methenamin (z. B. in Antihydral® Salbe) oder Gerbstoffen (z. B. in Tannolact® Puder) erhältlich. Zur Behandlung übermäßigen Achselschweißes hat sich 10- bis 30%ige Aluminiumchloridlösung bewährt, deren Anwendung langfristig zur Verkleinerung der Schweißdrüsen führt. Die Achselhöhlen werden zunächst täglich, dann zwei- bis dreimal pro Woche behandelt, wobei die Lösung am besten mittels Zerstäuber aufgebracht wird. Anfänglich kann es zu leichten Hautreizungen kommen, die aber meist wieder abklingen.
Anregungen zum Umgang mit Hitzewallungen in den Wechseljahren
Vorsorge
Bei vermehrter Schweißproduktion empfiehlt sich das Tragen atmungsaktiver Textilien, z. B. aus Baumwolle oder Gore-Tex®. Schichtweise nach dem Zwiebelprinzip getragene Kleidung ermöglicht eine rasche Anpassung an das jeweilige Wärmebedürfnis. Wer unter stark riechendem Achselschweiß leidet, profitiert oft von einer Achselrasur: Auf der glatten Haut sammeln sich weniger geruchsbildende Bakterien.
Regelmäßige Wechselduschen und Ausdauersport trainieren den Körper, mit schweißtreibenden Reizen besser umzugehen. Da koffeinhaltige Getränke, Alkohol, scharfe Gewürze und üppige Mahlzeiten die Schweißproduktion verstärken können, lohnt sich ein Versuch, auf diese Auslöser zu verzichten. Übergewichtige Menschen verlieren oft ihre vermehrte Schweißneigung, wenn sie ihr Gewicht normalisieren.
Komplementärmedizin
Betroffene befinden sich oft in einer Art Teufelskreis: Ihnen sind die Schweißausbrüche derart unangenehm, dass sie aus Angst davor erst recht anfangen zu schwitzen. In der Komplementärmedizin steht neben der eigentlichen „Schweißbekämpfung“ deshalb auch die Klärung psychischer Faktoren im Vordergrund.
Hydrotherapie. Empfehlenswert sind Umschläge mit kaltem Wasser, die alle 5 Minuten gewechselt werden. Gegen Schweißfüße hilft ein Fußbad mit Salbei oder Tomatensaft (0,5 l Saft auf 5 l Wasser).
Pflanzenheilkunde. Eine traditionelle Pflanze gegen Schweißbildung ist Salbei in Form von Tee (3–4 Tassen täglich) oder Fertigpräparaten (z. B. Salus® Salbei-Tropfen, Salvysat® Bürger). Salbei hemmt erwiesenermaßen die Schweißproduktion, wobei die Wirkung erst nach einigen Tagen eintritt. Bei leichterer Schweißneigung helfen Gerbstoffbäder oder Gerbstoffpuder aus Eichenrinde, z. B. in Fertigpräparaten wie Tannolact® Pulver oder Tannosynt® flüssig. Ebenfalls zur äußerlichen Anwendung eignet sich ein Sud aus den Blättern der Walnuss, hierfür werden 4 EL Blätter mit 1 l Wasser angesetzt, aufgekocht und abgeseiht. Vorsicht: der Sud färbt Textilien.
Akupunktur. Es liegen positive Erfahrungsberichte vor, wonach die Akupunktur eine vermehrte Schweißneigung lindert; hier ist wohl auch der entspannende Effekt nicht zu vernachlässigen.
Psychotherapie und Entspannungverfahren. Der erste Schritt besteht darin, das eigene Verhalten zu beobachten und – z. B. in Form eines Tagebuchs – zu dokumentieren, in welchen Situationen die Schweißausbrüche gehäuft auftreten. Im nächsten Schritt erlernen die Betroffenen mittels verhaltenstherapeutischer Maßnahmen oder in einer kognitiven Verhaltenstherapie ihr Selbstwertgefühl zu stärken, weniger schnell aus dem Gleichgewicht zu geraten und die Erwartungsangst schrittweise abzubauen, indem sie z. B. Entspannungsverfahren oder Atemtechniken erlernen.
Homöopathie. Die Homöopathie empfiehlt Salvia officinalis (Salbei), bei starkem, vorwiegend nächtlichem Schweiß auch Boletus laricis sowie Jaborandi.