Periphere arterielle Verschlusskrankheit
[Periphere] arterielle Verschlusskrankheit (pAVK, AVK, Raucherbein, claudicatio intermittens): Ungenügende Durchblutung der Gliedmaßen – fast immer eines oder beider Beine – aufgrund von Verengungen arterieller Blutgefäße. Zugrunde liegt eine fortschreitende Arteriosklerose; sie tritt am häufigsten bei über 50-Jährigen auf. Etwa 5 % der deutschen Bevölkerung sind betroffen, vor allem Raucher und Diabetiker.
Die Therapiemöglichkeiten sind gut, wenn Risikofaktoren wie das Rauchen vermieden werden.
In der Regel verschlimmert sich die pAVK über Jahre und Jahrzehnte, selten sind akute Verschlüsse einer Beinarterie (akuter Beinarterienverschluss).
Leitbeschwerden
- Belastungsabhängige Schmerzen im Bereich von Gesäß, Hüfte, Ober-, Unterschenkel oder Fuß
- Nur noch eine begrenzte Wegstrecke kann schmerzfrei zurückgelegt werden; sofortige Besserung der Beschwerden beim Stehen bleiben
- Der betroffene Fuß oder Unterschenkel ist blass, kühl und taub.
- Fuß- und Wadenschmerzen, die sich bessern, wenn die Beine herabhängen.
- Verletzungen an den Füßen heilen zunehmend schlechter.
Wann zum Arzt
In der nächsten Woche, wenn gewohnte Wegstrecken nur noch mit Pausen zurückgelegt werden können, weil Muskelschmerzen immer wieder zum Stehen bleiben zwingen.
Am nächsten Tag, wenn Druckstellen, Verletzungen oder schwarze Stellen an den Füßen oder Zehen auftreten.
Sofort zum Arzt, wenn
- Akute Beinschmerzen mit Blauverfärbung und Kaltwerden des betroffenen Beins auftreten (akuter Beinarterienverschluss)
- Kein Puls am Fuß mehr zu spüren ist.
Die Erkrankung
Jede Gliedmaße wird durch eine einzelne, von der Aorta abgehende Arterien mit Blut versorgt, die sich im weiteren Verlauf vielfach aufzweigt. Hochgradige Verengungen oder Verschlüsse dieser Gefäße durch arteriosklerotische Prozesse, führen zum Sauerstoffmangel und zur Anreicherung von Stoffwechselendprodukten. Die Folgen hängen davon ab, wie rasch die Gefäßverengung entsteht und wie groß das dahinter liegende Versorgungsgebiet der betroffenen Arterie ist. Verengt sich eine Arterie allmählich über Jahre, so bleibt dem Körper ausreichend Zeit, Umgehungskreisläufe (Kollateralen) auszubilden. Ein akuter Verschluss dagegen hat schwerwiegende Folgen bis hin zum Absterben der betroffenen Gliedmaßen.
Wenn die in den Beinen noch ankommende Blutmenge den Sauerstoffbedarf nicht mehr deckt, treten zunächst Schmerzen auf. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu einem allmählichen Absterben des Gewebes, beginnend an den Zehen und sich Richtung Knie ausbreitend. Dies ist nicht nur mit Schmerzen und Funktionsverlust des Beins verbunden – das schlecht durchblutete Gewebe infiziert sich auch leichter und überschwemmt den ganzen Körper mit Krankheitserregern. Daher muss in fortgeschrittenen Stadien manchmal ein Teil der Zehen oder des Fußes und/oder Unterschenkels amputiert werden. Eine rechtzeitig eingeleitete Therapie verhindert oder verzögert dies.
Fortschreitende arteriosklerotische Veränderungen der Beinarterien entstehen bei Rauchern etwa dreimal häufiger als bei Nichtrauchern (Raucherbein). Weitere beeinflussbare Risikofaktoren sind Diabetes, Bewegungsmangel, Übergewicht, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen.
Das macht der Arzt
Diagnosesicherung. Aus der Beschwerdeschilderung und ärztlichen Untersuchung der Beine (Hautfarbe, Temperatur, Haut- und Gewebeveränderungen) lässt sich meist schon die Verdachtsdiagnose pAVK stellen. Durch Tasten der Pulse in der Leiste, am Knie und am Fuß prüft der Arzt, ob die vom Herzen ausgehende Pulswelle die Füße erreicht. Ein schwacher oder fehlender Puls weist auf Engstellen oder auf einen Verschluss in einem darüber liegenden Gefäßabschnitt hin. Auch der Lagerungsversuch nach Ratschow oder Strömungsgeräusche beim Abhorchen der Gefäße liefern weitere Anhaltspunkte. Mit dem Gehtest wird gemessen, welche Strecke der Betroffene noch ohne Schmerzen zurücklegen kann.
Das Ausmaß einer pAVK wird mit dem Knöchel-Arm-Index abgeschätzt. Der am Bein des liegenden Patienten gemessene systolische Blutdruckwert entspricht üblicherweise dem des Armes oder ist sogar etwas höher. Bei verengten Beinarterien liegt der am Bein gemessene Blutdruck jedoch unter dem des Armes. Der ermittelte Blutdruckwert des Beins wird durch den des Armes geteilt:
Systolischer Blutdruck der Beinarterie / Systolischer Blutdruck der Armarterie = Knöchel-Arm-Index.
Der Knöchel-Arm-Index ist bei Gefäßgesunden mindestens 1. Bei verengten Beinarterien sinkt er unter 0,9. Bei Werten unter 0,3 ist die Blutversorgung des Beins gefährdet, eine Amputation droht (kritische Ischämie). Bei sehr verkalkten Beinarterien ist diese Untersuchungsmethode wegen fehlerhafter Messwerte allerdings nicht anwendbar.
Eine Farbduplexsonografie, eine Magnetresonanz-Angiografie oder eine digitale Subtraktionsangiografie, DSA, zeigt die genaue Lage der Gefäßverengung. Weil eine fortgeschrittene Arteriosklerose meist alle Arterien des Körpers erfasst, schließen sich weitere Untersuchungen des Herzens und der Hirn versorgenden Arterien an, um über eine gleichzeitig bestehende koronare Herzkrankheit oder einen drohenden Schlaganfall Bescheid zu wissen. Dies ist insbesondere dann zwingend notwendig, wenn eine gefäßchirurgische Therapie ansteht, zu der die volle OP-Fähigkeit gegeben sein muss.
Therapie. Die Behandlungsmaßnahmen der pAVK hängen vom jeweiligen Fontaine-Stadium ab:
Im Stadium I steht die Verringerung der Risikofaktoren für die Entwicklung einer Arteriosklerose im Vordergrund. Vor allem die Nikotinabhängigkeit gilt es zu überwinden, Tipps zur Nikotinersatztherapie. Weitere sinnvolle Maßnahmen finden sich im Abschnitt Selbsthilfe.
Im Stadium II wird die schmerzfreie Gehstrecke durch ein tägliches Gehtraining von etwa 1 Stunde verlängert. Man geht solange, bis die Schmerzen beginnen, pausiert kurz, bis die Schmerzen wieder verschwinden und setzt anschließend das Gehen erneut fort. So werden neue Umgehungskreisläufe der Blutgefäße gebildet.
Die Einnahme von Plättchenhemmern wie Acetylsalicylsäure beugen einer Blutgerinnselbildung in geschädigten Arterien vor.
Ob die zusätzliche Einnahme von Medikamenten wie Pentoxifyllin (Trental®), Naftidrofuryl (Dusodril®) oder Buflomedil (Bufedil®) die Durchblutungssituation weiter verbessert, ist umstritten. Eine Wirkung ist zwar nachgewiesen, der Nutzen ist aber so gering, dass er nach Ansicht vieler Ärzte gegenüber einem konsequent durchgeführten Gehtraining kaum ins Gewicht fällt. Ein Teil der Substanzen kann auch als Infusion gegeben werden. Die Wirkung wird dadurch verbessert, die Behandlung ist aber nur für kurze Zeit möglich und außerhalb des Krankenhauses aufwendig.
Wichtig ist hingegen, alle Medikamente wegzulassen, die als Nebenwirkung die Durchblutungsstörung der Extremitätenarterien fördern können (z. B. Betablocker).
In den pAVK-Stadien IIb, III und IV wird versucht, die Gefäßengstellen und -verschlüsse mit einem Ballonkatheter aufzudehnen und bei Bedarf auch mit einem Stent zu versehen, Gefäßstütze. Eine Gefäßaufdehnung ist vor allem an großen Gefäßen wie den Beckenarterien anhaltend erfolgreich. Im Knie- und Unterschenkelbereich hingegen muss in über 50 % der Fälle mit erneuten Gefäßverschlüssen im Laufe der nächsten Monate und Jahre gerechnet werden.
Gefäßchirurgen können zudem die arteriosklerotischen Ablagerungen aus den Gefäßen herausschälen oder die Engstelle mit Hilfe einer Vene oder Gefäßprothese überbrücken (Bypass). Sind Blutgerinnsel Ursache der verstopften Arterie, gelingt es häufig, sie in den ersten Tagen und Wochen, solange sie noch weich sind, über einen Katheter abzusaugen oder mit gerinnungshemmenden Medikamenten aufzulösen.
Falls weder Kathetereingriff noch Operation die Durchblutung verbessern, bleibt noch die Möglichkeit, durch wiederholte Infusionen von Prostanoiden (Verwandte der Prostaglandine) vorübergehend eine bessere Blutversorgung der Extremität zu ermöglichen und so die Stoffwechselsituation vor Ort zeitweise zu verbessern. Hier gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, ob der Nutzen die Risiken (u. a. Belastung des Herzens) rechtfertigt.
Wenn trotz aller Maßnahmen die Schmerzen zunehmen oder Gewebe abstirbt, bleibt nur noch die Amputation.
Vorsorge und Selbsthilfe
Wie sich eine pAVK weiterentwickelt, ob eine vernünftige Lebensqualität erhalten bleibt oder der Gang der Dinge Richtung Immobilität, Amputation und schließlich Tod voranschreitet, hängt davon ab, wie Sie Ihre Risikofaktoren, insbesondere das Rauchen, in den Griff bekommen. Die meisten Todesfälle bei pAVK sind nicht auf die Erkrankung selbst zurückzuführen, sondern sind Folge einer gleichzeitig bestehenden Durchblutungsstörung des Herzens oder des Gehirns. Wenn Sie Ihre Risikofaktoren ausschalten, beeinflussen Sie nicht nur die pAVK, sondern verbessern auch Ihre Herz- und Gehirndurchblutung.
Gehtraining. Training und Fußpflege heißen die Schlüsselwörter für Ihr Leben mit der Erkrankung. In frühen Stadien der Erkrankung schaffen es pAVK-Patienten, ihre maximale Gehstrecke durch regelmäßiges Gehtraining und/oder Gymnastik deutlich zu verlängern. Gehen ist für Sie die beste Medizin! Für Schlechtwetterperioden eignen sich Heimtrainer. Bestehen erhebliches Übergewicht oder Gelenkbeschwerden z. B. durch Hüftgelenksarthrose oder Kniegelenksarthrose, dann ist Fahrradfahren möglicherweise die bessere Wahl.
Schuhwerk. Perfekt passende Schuhe und Strümpfe sind für Sie kein Luxus, sondern überlebenswichtig. Ihr Arzt kann Ihnen orthopädische Einlagen oder Spezialschuhe verschreiben, wenn das nötig ist. Ihre üblichen Schuhe sollten so gut passen, dass sie keine Druckstellen verursachen. Bequeme Sportschuhe passen vielen Menschen am besten, eventuell mit Klettverschlüssen, um das An- und Ausziehen zu erleichtern. Und auf modische Zutaten verzichten Sie möglichst. Ein hoher Absatz belastet den Vorfuß zu stark, besser sind flache Schuhe. Achten Sie auf gute Verarbeitung: Schlecht abgedeckte Innennähte können scheuern, scharfkantige Fußbetten können verletzen.
Gehen Sie möglichst viel zu Fuß, aber laufen Sie wegen der Verletzungsgefahr nicht barfuß. Bereits kleinste Verletzungen oder Druckstellen müssen medizinisch behandelt und rasch zur Abheilung gebracht werden.
Fußpflege. Ganz wichtig ist für Sie, Fußverletzungen vorzubeugen, mindestens aber zu bemerken und sorgfältig zu pflegen. Falls Sie nicht gelenkig genug sind, um ihre Füße auch von unten genau inspizieren zu können, helfen Spiegel und Lampe. Ideal ist, wenn Sie einmal wöchentlich zur medizinischen Fußpflege (Podologie), gehen und/oder sich vom Partner oder von Familienangehörigen die Füße nach kleinen Verletzungen, Blasen und Rötungen absuchen lassen – am besten täglich! Wenn Sie eine Verletzung bemerken, gehen Sie unbedingt zum Arzt (insbesondere bei Diabetes)!
Krampfadern und chronisch-venöse Insuffizienz. Wenn Sie gleichzeitig mit der pAVK auch noch ein Venenleiden haben, ist guter Rat teuer, denn Kompressionsstrümpfe und Stützstrumpfhosen verschlechtern die arterielle Beindurchblutung.
Rauchen. Für viele ist das Aufhören ein leidiges Thema. Immerhin: Wenn Sie es jetzt schaffen, ist der Lohn ein doppelter. Nicht nur die Kondition und Ihr Raucherhusten werden besser, auch die Beinschmerzen verschwinden. Wenn Sie wirklich aufhören wollen, planen Sie dies am besten über einen längeren Zeitraum, denn Sie haben der Zigarette „Vorzugsplätze“ in Ihrem Alltag eingerichtet. All diese liebgewonnenen Gewohnheiten müssen Sie nun aus Ihrem Gedächtnis und Ihrem Leben tilgen. Dies ist ein Kampf – aber einer, den Sie gewinnen können. Am leichtesten gelingt es mit professioneller Hilfe, beispielsweise durch eine Nikotinersatztherapie. Fragen Sie Ihren Hausarzt nach bewährten Anlaufstellen in ihrer Nähe.
Alkohol. Viele Raucher mit pAVK haben die Erfahrung gemacht, dass gleichzeitig konsumierter Alkohol die nikotinbedingten Beinschmerzen mildert oder ganz aufhebt. Und in der Tat wirkt der Alkohol auf Blutgefäße erweiternd, während das Nikotin sie verengt. Leider haben viele Raucherbein-Betroffene deshalb zusätzlich zu ihrer Nikotinabhängigkeit eine handfeste Alkoholabhängigkeit entwickelt. Diese ist natürlich schädlich und therapiebedürftig. Für pAVK-Patienten mit maßvollem Alkoholkonsum gilt jedoch, und das mag für manche eine gute Nachricht sein, das sie trotz ihrer Erkrankung auf ihr tägliches Bier oder Glas Wein nicht verzichten müssen.
Ernährung. Wenn Sie Ihr Leben ändern wollen, sollten Sie primär Ihr Gewicht normalisieren. Haben Sie einen Typ-2-Diabetes, so profitieren Sie auch hier doppelt: Mit jedem Kilo weniger auf der Waage sinkt auch Ihr Bedarf an Diabetesmedikamenten, und eventuell verschwindet Ihr Diabetes sogar ganz.
Schlafen. pAVK-Patienten ziehen gerne warme Socken an, wenn Sie ins Bett gehen, und manche legen sich auch ein Heizkissen unter die Waden, wenn es ganz kalt wird. Von Letzterem raten die Ärzte jedoch ab, weil durch lokale Wärmezufuhr die Durchblutung von Unterschenkeln und Füßen nicht verbessert wird. Eine weitere sinnvolle Maßnahme ist, mit erhöhtem Oberkörper und/oder abgesenktem Fußteil zu schlafen, um die Durchblutung der unteren Körperpartien zu verbessern. Der Kauf eines entsprechenden Spezialbetts ist deshalb eine erwägenswerte Investition.
Komplementärmedizin
Gefäßschäden können auch mithilfe der Komplementärmedizin nicht mehr rückgängig gemacht werden. Immerhin versprechen einige Maßnahmen zumindest in den frühen Stadien Linderung, insbesondere dann, wenn sie mit einem konsequenten Gehtraining kombiniert werden.
Sauerstofftherapien. Eine Reihe von Verfahren – z. B. die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Manfred von Ardenne, die Ozontherapie, die hämatogene Oxidationstherapie, die Chelattherapie oder die hyperbare Oxygenation – versprechen Hilfe. Einige Methoden arbeiten auch mit direkten Injektionen von Sauerstoff (mit und ohne Zusatz von Ozon) in die verengte Beinschlagader, und viele Betroffene berichten über eine sofort einsetzende Besserung der Beschwerden. Über den Langzeiteffekt all dieser Maßnahmen sind sich die Experten jedoch nicht einig. Viele Fachärzte weisen darauf hin, dass die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt sei und der zu erwartende Nutzen die Behandlungsrisiken und -kosten nicht rechtfertige.
Pflanzenheilkunde. Sanfte Wege zur Besserung der Beschwerden versprechen einige pflanzliche Präparate, vor allem solche, die Gingkoblätter-Extrakte (z. B. Tebonin®, Rökan®, Craton® oder Kaveri®) enthalten. Aber auch hier sind die Wirkungsnachweise spärlich.
Homöopathie. Arnica, Barium carbonicum, Silicea oder Viscum album gehören zu den besonders häufig infrage kommenden Konstitutionsmitteln; verschiedene Komplexmittel, z. B. Aesculus compositum® oder Arteria-cyl®, sollen die Durchblutung fördern.