Morbus Bechterew
Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans, Spondylitis ancylopoetica, SA): Chronische rheumatische Erkrankung, bei der entzündliche Prozesse im Endstadium zu einer knöchernen Versteifung der Wirbelsäule führen. Betroffen sind manchmal auch andere Gelenke, seltener andere Organe. Die Erkrankung beginnt im Alter zwischen 15 und 40 Jahren. Etwa 1 Million Deutsche leiden an Morbus Bechterew, die Erkrankung ist jedoch nur bei jedem 10. von ihnen diagnostiziert. Männer sind viermal häufiger betroffen als Frauen. Der Verlauf variiert, M. Bechterew kann jederzeit zum Stillstand kommen oder aber langsam über Jahrzehnte bis zur völligen Versteifung der Wirbelsäule voranschreiten. 80 % der Patienten bleiben bei eingeschränkter Beweglichkeit voll erwerbsfähig und sind in Lebensführung und Lebensdauer kaum beeinträchtigt.
Abzugrenzen ist die undifferenzierte Spondylarthritis, eine entzündliche rheumatische Erkrankung der Wirbelsäule oder einzelner großer Gelenke der unteren Extremität, im Sinne einer Spondylarthritis, ohne dass aber eine Zuordnung zu einem Morbus Bechterew, einer Psoriasis-Arthritis oder reaktiven Arthritis erfolgen kann. Die undifferenzierte Spondylarthritis stellt die häufigste Diagnose unter den Spondylarthritiden dar.
Leitbeschwerden
- Langsame, über Wochen zunehmende, tief sitzende Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in die Oberschenkel und zunehmende Steifigkeit in der Lendenwirbelsäule
- Steifigkeit und Schmerzen vor allem in den frühen Morgenstunden
- Besserung bei Bewegung und Verschlimmerung bei Ruhe, so dass es den Patienten aus dem Bett treibt
- Wechselnde Schmerzen und Schwellungen einzelner großer Gelenke (Knie, Hüften, Schultern, Ellbogen), an der Ferse oder an anderen Sehnenansätzen
- Augenschmerzen, erhöhte Lichtempfindlichkeit
- Schmerzen beim Niesen oder Husten über dem Brustbein, Beschwerden beim Einatmen.
Wann zum Arzt
In den nächsten Tagen oder Wochen, wenn
- Rückenschmerzen in Ruhe auftreten und über Wochen anhalten
- Große Gelenke schmerzhaft geschwollen sind.
Die Erkrankung
Die Ursache der Erkrankung ist ungeklärt. Als Auslöser wird vermutet, dass eine Infektion der Verdauungs- oder Harnwege mit verschiedenen Bakterien mit einer erblichen Veranlagung zusammentreffen muss. Über 90 % der Patienten tragen auf der Oberfläche ihrer Gewebezellen das genetische Merkmal (Antigen) HLA-B27; auf den weißen Blutkörperchen wird es nachgewiesen.
Die Erkrankung beginnt langsam und schleichend, sie ist gekennzeichnet durch eine Entzündung der Kreuzbeingelenke (Iliosakralgelenke), der Wirbelsäulengelenke und selten der Bandscheiben. Die chronische Entzündung führt zu einer knöchernen Versteifung der Wirbelsäule (Ankylosierung). Ist die Wirbelsäule erst einmal steif, schmerzt sie nicht mehr, aber die Patienten können sich nicht mehr bücken oder den Kopf zur Seite drehen. Im Röntgenbild sieht man, dass die einzelnen Wirbelkörper verschmolzen sind. Die Wirbelsäule gleicht einem großen Bambusstab. Bei fast der Hälfte aller Erkrankten kommt es im Verlauf zum asymmetrischen (nur eine Seite betreffenden) Befall anderer Gelenke, vor allem von Knie und Sprunggelenk. Die Veränderungen an den Wirbelgelenken schränken auch die Beweglichkeit des Brustkorbs ein. Dadurch wird die Atmung erschwert.
Morbus Bechterew gehört zur Gruppe der Spondyloarthritiden (Spondylarthropathie, Spondylarthritis, Spondarthritis). 40 % aller Patienten, die zum Hausarzt gehen, leiden unter Rückenschmerzen – natürlich haben nicht alle diese Patienten eine Erkrankung aus der Gruppe der Spondyloarthritiden. Aber immerhin 1,5 Millionen Deutsche leiden an einer solchen Erkrankung, bei der primär die Wirbelsäulengelenke betroffen sind. Oft sind periphere Gelenke an Händen, Füßen, Ellenbogen, Knien, Schultern oder Hüften einbezogen. Zusätzlich findet man Entzündungen der Sehnenansätze (Enthesiopathie), Haut-, Nagel- und Schleimhautveränderungen, aber auch die Augen, der Urogenitaltrakt, das Herz, die Lungen und die Nieren können beteiligt sein. Spondyloarthritiden sind mit dem genetischen Merkmal (Antigen) HLA-B27 assoziiert, der auf den weißen Blutkörperchen nachweisbar ist. Zu dieser Erkrankungsgruppe gehören neben Morbus Bechterew reaktive Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Arthritis bei entzündlichen Darmerkrankungen und undifferenzierte Spondylarthritis.
Das macht der Arzt
Die Diagnose beruht meist auf dem Patientengespräch (Anamnese) und der klinischen Untersuchung. Charakteristisch für Morbus Bechterew sind eine eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule und häufig eine Sakroiliitis. Das ist eine Entzündung zwischen Kreuzbein und den beiden Darmbeinknochen, die mit dem Kreuzbein den Beckenring bilden. Eine Blutuntersuchung weist HLA-B27 nach, während die üblichen Entzündungszeichen wie BSG und CRP in vielen Fällen negativ ausfallen. Im Frühstadium kann ein Kernspin der Kreuzbeingelenke die Diagnose stützen, während Röntgenbilder die entzündlichen Veränderungen noch nicht zeigen.
Die Schmerzen lassen sich gut mit nichtsteroidalen Antirheumatika bekämpfen. Die Auswahl und die Dosis richten sich nach der Intensität der Beschwerden und der Verträglichkeit der Medikamente. Sie können bei Beschwerdefreiheit abgesetzt werden.
Die allmähliche Versteifung der Wirbelsäule lässt sich medikamentös kaum aufhalten. Damit sie jedoch möglichst langsam und in einigermaßen aufrechter Haltung versteift, ist die tägliche, konsequente Krankengymnastik sehr wichtig. Hierzu gibt es dem jeweiligen Erkrankungsstadium angepasste Übungsprogramme, die in Gruppen oder in der physiotherapeutischen Praxis durchgeführt und erlernt werden. Tägliche morgendliche Übungen helfen gleichzeitig gegen die Morgensteifigkeit und die damit zusammenhängenden Schmerzen. So erreichen viele Patienten eine deutliche Besserung.
Bei einer Entzündung der Sehnen sind Ultraschallbehandlungen und Schwachstromtherapie (Iontophorese) zu empfehlen. Therapien mit Gleichstrom (hydrogalvanische Vollbäder) lindern die Beschwerden der Sakroiliitis. Bei schweren Formen hilft vermutlich das radioaktive Edelgas Radon, das (z. T. in Kombination mit Überwärmung) in einigen Kurorten angeboten wird.
Selbsthilfe
Durch den Morbus Bechterew krümmt sich die Wirbelsäule tendenziell nach vorne. Um dies zu verhindern, müssen Sie alles unternehmen, um langfristig Ihre aufrechte Haltung zu bewahren. Die regelmäßigen Bewegungsübungen sind ein ganz wesentlicher Teil der Therapie, aber auch im Alltag gilt es, Einiges zu beachten:
Beruf. Ideal ist eine berufliche Tätigkeit, die Ihnen abwechselnd Sitzen, Stehen und Gehen ermöglicht und Ihnen erlaubt, sich mittags 10–20 Minuten lang ganz flach hinzulegen, damit sich die Wirbelsäule wieder gerade richtet. Achten Sie beim Sitzen darauf, dass das Becken nicht nach hinten kippt, suchen Sie sich Ihren geeigneten Stuhl, probieren Sie einen Sitzkeil (eventuell auch beim Autofahren). Ein Zeichenbrett, eine schräge Tischplatte oder ein verstellbarer Pultaufsatz helfen, damit Sie sich nicht ständig nach vorne beugen müssen. Falls Sie Schwierigkeiten haben, diese für Sie notwendigen Maßnahmen an Ihrem Arbeitsplatz einzuführen oder auf Unverständnis stoßen, sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Arbeitgeber oder versuchen Sie z. B. mithilfe eines Ratgebers Ihre Lage zu erklären.
Schlaf. Schlafen Sie auf einer festen Matratze, sie darf auf keinen Fall durchhängen. Auf Reisen legen Sie die Matratze im Notfall auf den Fußboden. Benutzen Sie ein kleines Kopfkissen, so dass der Kopf gerade liegt und nicht in den Nacken kippt. Keilkissen und große Kopfkissen, die bis unter die Schultern reichen, tragen zur Krümmung der Brustwirbelsäule bei. Schlafen in der Bauchlage ist günstig, in der Seitenlage mit gekrümmtem Rücken dagegen eher ungünstig.
Sport. Die Diagnose Morbus Bechterew bedeutet kein Sportverbot. Im Gegenteil: Jede körperliche Aktivität ist gut und falls Sie eine Sportart beherrschen, bleiben Sie ruhig dabei und passen Sie sie, falls nötig, an Ihr Krankheitsstadium an. Bedenken Sie aber, dass der Sport nicht die Krankengymnastik ersetzt. Besonders geeignet sind Sportarten, bei denen Sie sich strecken müssen und keine großen Erschütterungen auftreten, aber dennoch alle Muskeln und Gelenke beansprucht werden. Empfehlenswert sind Schwimmen (um den Hals nicht zu überstrecken, schwimmen Sie eher auf dem Rücken), Skilanglauf, Wandern (mit Teleskopstöcken) und Radfahren (mit hohem Lenker und nach vorn gekipptem, weich gefederten Sattel) sowie Volleyball.
Komplementärmedizin
Zur Linderung von Schmerzen und zur Eindämmung der Entzündung eignen sich die gleichen komplementärmedizinischen Maßnahmen wie die bei der Rheumatoiden Arthritis.
Weiterführende Informationen
- www.bechterew.de – Gute Internetseite der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e. V., Schweinfurt: Mit Erklärungen zur Krankheitsentstehung, Diagnose und Therapie, besonders der Bewegungstherapie, Ratschlägen zur Alltagsbewältigung und Literaturtipps.
- U. Wolf; L. Hammel: Der Morbus-Bechterew-Gymnastik-Kalender. Haug, 1999. Heimprogramm mit den wichtigsten Übungen für 4 Wochen.