Kritik an der Ästhetischen Chirurgie

Das Zusammenspiel von medizinischem Befund, Leidensdruck und Lebensumständen ist für jeden Menschen höchst unterschiedlich. So selbstverständlich und erstrebenswert uns eine hohe Lebensqualität für jedermann erscheint, so zwiespältig wurde und wird ihre medizinische Umsetzung gesehen. Ein lebenserhaltender Eingriff in den Körper bedarf keiner zusätzlichen Rechtfertigung, ein Eingriff zur Verbesserung der Lebensqualität dagegen sehr wohl. Letzterer wird nur in Abstufungen akzeptiert. Nur: Wie viel Lebensqualität der Mensch nun braucht – wer will das bestimmen? Wer ist berechtigt, eine Grenze zu ziehen?

Fakt aber ist, dass in Deutschland weniger als 30 % der jährlich 800 000 plastisch-chirurgischen Eingriffe ästhetischer Natur sind. Und die in der Ästhetischen Chirurgie tatsächlich operierenden „schwarzen Schafe“ sind keinerlei Beweis für die moralische Fragwürdigkeit der gesamten Ästhetischen Chirurgie. Denn inzwischen begrüßen die meisten Ästhetisch-Plastischen Chirurgen die in Deutschland beschlossenen Beschränkungen von Marketing und Werbung für Schönheitsoperationen. Diese Limitierungen haben geholfen, das persönliche Gespräch mit dem Arzt wieder ins Zentrum der Entscheidungsfindung zu rücken.

Obwohl die meiste Kritik an der Ästhetischen Chirurgie auf Vorurteilen beruht, so berühren doch einige Argumente wunde Punkte:

  • Die Ästhetische Chirurgie ist eine Zweiklassenmedizin. Wenn es für Frauen Gewohnheit wird, hängende Tränensäcke heben und den schlaffen Busen straffen zu lassen, können viele aufatmen – denn ihr Makel ist beseitigt. Aber um den Preis, dass der Makel derjenigen, die sich diese Operation nicht leisten können, umso mehr ins Auge fällt.
  • Der Zwang altern zu müssen, galt als eines der wenigen Gesetze des Lebens, denen sich Arm und Reich gleichermaßen beugen mussten – auch hier schafft die Ästhetische Chirurgie den Wohlhabenderen zumindest eine Armlänge Vorsprung, auch wenn dieser natürlich nicht von Dauer ist.
  • Die Ästhetische Chirurgie hat versäumt, Regeln und Qualitätsstandards zu definieren und durchzusetzen. Unseriöse Werbepraktiken sind genauso Realität wie unseriöse Geschäftspraktiken. Erfolgreiche Fernsehserien zeigten vor laufender Kamera, wie hässliche Entlein in schöne Schwäne oder Teenager in Abbilder ihrer Lieblingsstars verwandelt wurden. So wurden falsche und sogar gefährliche Hoffnungen geweckt. Immerhin: Inzwischen hat sich einiges geändert, und der Gesetzgeber ist aktiv geworden.

Mitte 2005 beschloss der Deutsche Bundestag eine Änderung des Heilmittelwerbegesetzes. Verboten ist seither eine vergleichende, verharmlosende oder irreführende Werbung für ästhetische Eingriffe, wie z. B. mit Vorher-Nachher-Fotos. Eine Verharmlosung stellt in diesem Zusammenhang auch die Werbung mit niedrigen Preisen dar, weil sie suggeriert, dass der Erfolg der Operation erkauft werden kann und eine Risikoabwägung nicht notwendig ist.

Schönheitsinstitute oder Organisationen, die mit Niedrigpreisen werben, ohne die Identität und Qualifikation der operierenden Ärzte darzulegen, befürchteten zunächst Umsatzeinbußen. Inzwischen wissen sie sich jedoch zu wehren und greifen z. B. verstärkt auf PR-Maßnahmen wie gekaufte Illustriertenartikel oder Tageszeitungs-Zweispalter zurück, um das Thema in den Köpfen zu halten und Aufmerksamkeit für (gesetzeskonforme) Anzeigen zu schaffen.

Ob diese Maßnahmen ausreichen, um weniger qualifizierte oder sogar unseriöse Institute und Ärzte auszubremsen, darf bezweifelt werden. Denn die wirkliche Konkurrenz für die an hohe Einkommen gewöhnte Chirurgenzunft sitzt gar nicht in den Großstädten Deutschlands, sondern eine Flugstunde entfernt in Karlsbad, Prag oder Budapest. Das macht es umso schwieriger, Regeln für die Werbung und Qualitätsstandards für Operationen durchzusetzen.

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