Herzklappenfehler, erworbene

Erworbene Herzklappenfehler (erworbene Vitien): Schließunfähigkeit oder Öffnungsbehinderung von Herzklappen als Folge krankheitsbedingter Klappenschädigungen.

Herzklappenfehler gibt es als angeborene Fehlbildung, sie können aber auch in jedem Lebensalter entstehen. Am gefährlichsten sind Klappenfehler an der Aorten- und Mitralklappe. Der häufigste Herzklappenfehler ist die Aortenstenose, gefolgt von der Mitralinsuffizienz. Wenn Herzklappenfehler zur Herzinsuffizienz führen, muss operativ eingegriffen werden. In Deutschland werden pro Jahr etwa 19 000 Operationen an Herzklappen durchgeführt.

Leitbeschwerden

Alle Anzeichen der Herzinsuffizienz. Zusätzlich:

  • Herzstolpern, Herzklopfen, Herzrasen
  • Druck, Engegefühl und Schmerzen hinter dem Brustbein
  • Bei Aortenklappenstenose: Niedriger Blutdruck, Schwindelgefühl, kurze Ohnmachtsanfälle bei Belastung
  • Bei Mitralklappenstenose: Rötlich-bläuliche Hautverfärbungen beider Wangen („Mitralbäckchen“).

Wann zum Arzt

Am nächsten Tag, wenn

  • Die Belastbarkeit fortgesetzt abnimmt
  • Herzstolpern, Schwindel und Beinschwellungen auftreten.

Sofort bei Atemnot, Angst und Herzschmerzen.

Die Erkrankungen

Entzündliche und degenerative Vorgänge an den Herzklappen sind die wesentlichen Gründe für erworbene Herzklappenfehler. Sie können jede Klappe betreffen und sehr plötzlich, z. B. bei einer akuten Endokarditis oder langsam im Lauf der Jahre entstehen.

Bei einer Klappenstenose (Herzklappenverengung) öffnet sich die Herzklappe nicht mehr vollständig, so dass das Blut von der Herzmuskulatur nur noch mit großer Mühe hindurchgepresst werden kann. Bei einer Klappeninsuffizienz sind die geschlossenen Herzklappen undicht, verlieren ihre Ventilfunktion und lassen einen Blutfluss in beide Richtungen zu. Wenn beide Funktionsstörungen an einer Klappe gleichzeitig auftreten, so spricht man von einem kombinierten Herzklappenfehler (kombiniertes Klappenvitium).

Eine Klappeninsuffizienz kann nicht nur durch Veränderung an den Klappen selbst, sondern auch nach Schädigung des Klappenhalteapparates oder nach Erweiterung der klappentragenden Herzanteile entstehen, z. B. als Folge eines ausgedehnten Herzinfarkts oder einer dilatativen Kardiomyopathie. Jeder fortschreitende, operativ nicht korrigierte Herzklappenfehler führt letztlich zu Herzinsuffizienz.

Mitralklappenfehler (Mitralvitien)

Die Mitralklappenstenose ist meist Spätfolge eines vor 10–20 Jahren erlittenen akuten rheumatischen Fiebers, sie tritt dank besserer Vorbeugung heute nur noch selten auf. Die verengte Mitralklappe behindert den Blutstrom vom linken Vorhof in die linke Herzkammer, so dass das Blut sich im linken Vorhof und damit in die Lunge zurückstaut.

Dadurch vergrößert sich der linke Vorhof und wird oft Ausgangspunkt für Herzrhythmusstörungen und Embolien. Daher wird bei der Therapie einer Mitralstenose häufig langfristig die Blutgerinnung gehemmt.

Therapie. Bei zunehmender Atemnot wird die verengte Mitralklappe durch eine Klappenprothese ersetzt oder durch einen speziellen Ballonkatheter aufgedehnt. Durch letzteren Eingriff lösen sich die verklebten Mitralsegel und die Klappenöffnungsfläche nimmt wieder zu. Durch diese Ballonvalvuloplastie kann eine Mitralklappenoperation auf einen späteren Termin verschoben werden und manchmal sogar ganz entfallen.

Bei einer Mitralklappeninsuffizienz fließt das Blut beim Pumpvorgang der linken Herzkammer nicht nur in die Hauptschlagader, sondern auch wieder in den linken Vorhof zurück („Pendelblut“). Dadurch gelangt zu wenig Blut in das arterielle Herz-Kreislauf-System, d.h. die effektive Herzleistung und damit die Sauerstoffversorgung des Herzen nehmen ab. Weil die linke Herzkammer zusätzlich zur normalen Blutmenge auch das Pendelblut wieder mit aufnehmen muss, vergrößert sie sich und lässt nach und nach in ihrer Kontraktionskraft nach. Das Blut staut sich in die Lungengefäße zurück. Langfristige Folgen sind zunehmende Atemnot und Vorhofflimmern.

Therapie. Bei fortgeschrittener Mitralinsuffizienz wird die defekte Mitralklappe durch eine Kunstklappe ersetzt oder durch eine klappenerhaltende Reparaturoperation, eine Klappenrekonstruktion, wieder funktionstüchtig gemacht. Wenn der Klappenbefund eine Wahl der Operationsmethode zulässt, sollte die Klappenrekonstruktion dem Klappenersatz vorgezogen werden. Hier sind das Operationsrisiko, die Gefahr einer Thrombose oder Embolie und die Endokarditisrate niedriger. Außerdem bleibt nach der Operation die Pumpfunktion des Herzens besser erhalten. Bei normalem Sinusrhythmus kann nach einer Rekonstruktion auf eine Gerinnungshemmung verzichtet werden.

Ob eine Klappenrekonstruktion möglich ist, wird nicht von allen Herzchirurgen gleich beurteilt. Daher ist es sinnvoll, einen Herzchirurgen mit großer Erfahrung bei Klappenrekonstruktionen aufzusuchen.

Mitralklappenprolaps. Eine häufige Ursache der Mitralklappeninsuffizienz ist das Mitralklappenprolapssyndrom (Barlow-Syndrom, Klicksyndrom), bei dem übergroße Klappensegel vorliegen, die sich in den linken Vorhof vorwölben. Dem liegt eine Bindegewebsstörung unklarer Ursache zugrunde, die zu einer Überdehnung und meist auch zu einer Verdickung der Klappen und des Klappenhalteapparats der Mitralklappe führt. Beim Abhören des Herzens fällt manchmal ein charakteristischer zusätzlicher Herzton auf. In der Echokardiografie ist die Vorwölbung der Klappensegel gut zu erkennen.

Der Mitralklappenprolaps tritt relativ häufig auf (bei 3 % der Bevölkerung) und kann sich in jedem Lebensalter entwickeln. Die Klappenveränderungen sind ganz unterschiedlich ausgeprägt. Die allermeisten Betroffenen haben keine Beschwerden. Die Segelklappen können verdickt oder nur vergrößert sein, Prolaps und Insuffizienz fallen leicht- bis schwergradig aus. Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte können sich die Mitralklappen immer weiter verändern.

Bei einem Mitralklappenprolaps ohne Mitralinsuffizienz und ohne Verdickung der Mitralsegel genügen kardiologische Kontrolluntersuchungen in 3- bis 5-jährigen Abständen. Weitere Vorsichtsmaßnahmen sind nicht erforderlich. Zeigen sich dagegen verdickte Mitralklappensegel oder eine Mitralklappeninsuffizienz, sind eine Endokarditisprophylaxe und häufigere Kontrolluntersuchungen (etwa alle 1–2 Jahre) nötig. Bei zunehmender Insuffizienz der Mitralklappe ist eine operative Klappenrekonstruktion oder ein Klappenersatz angebracht.

Aortenklappenfehler

Die Aortenklappe schließt die linke Herzkammer zur Hauptschlagader hin ab. Eine Verengung (Aortenklappenstenose) verursacht lange Zeit keine Beschwerden. Wenn sie fortschreitet, muss das Blut jedoch mit steigender Kraft durch die Aortenklappe hindurchgepresst werden. Folge ist eine zunehmende Verdickung der Muskulatur der linken Herzkammer, die solche Ausmaße annehmen kann, dass die Blutversorgung der Herzmuskulatur durch die Herzkranzgefäße nicht mehr ausreicht. Unter körperlicher Belastung treten dann Angina pectoris, Atemnot und Schwindel bis hin zu Ohnmachtsanfällen auf. Dann muss die Aortenklappe operativ ersetzt werden.

Bei einer Aortenklappeninsuffizienz fließt Blut nach jeder Systole aus der Hauptschlagader wieder in die linke Herzkammer zurück. Die linke Herzkammer wird fortgesetzt mit einer zu großen Blutmenge überlastet. Betroffene bemerken das ungewöhnlich große Schlagvolumen manchmal an kleinen unangenehmen Erschütterungen im Kopf oder in den Extremitäten. Nach einer anfänglichen Verdickung der Herzmuskulatur hält die linke Herzkammer dieser Mehrbelastung mit der Zeit nicht mehr stand. Die Pumpleistung lässt nach und die Größe der linken Herzkammer nimmt zu. Betroffene merken das an einer zunehmenden Atemnot unter Belastung. Eine Herzklappenoperation muss erfolgen, bevor unumkehrbare Schäden an der Kammer entstanden sind. Eine Klappenrekonstruktion ähnlich wie bei der Mitralklappeninsuffizienz ist hier selten möglich.

Das macht der Arzt

Beim Abhören des Herzens fallen Klappenfehler durch charakteristische Herzgeräusche auf. Auch das EKG gibt oft Hinweise auf krankheitsbedingte Belastungen einzelner Herzhöhlen. Mit dem Belastungs-EKG prüft der Arzt, wie sich der Herzklappenfehler unter steigender körperlicher Aktivität auf das Herz-Kreislauf-System auswirkt. Im Röntgenbild gibt sich ein Herzklappenfehler oft anhand charakteristischer Änderungen der Herzform zu erkennen. Auch verkalkte Herzklappen zeigen sich dort.

Mit der transthorakalen Echokardiografie und transösophagealen Echokardiografie lässt sich die geschädigte Klappe direkt in Aktion beobachten. Anhand der Messung der Fließgeschwindigkeiten des Bluts im Herzen bestimmt der Arzt die Ausprägung des Klappenfehlers. Insbesondere wenn eine Klappenoperation ansteht, muss anhand einer Koronarangiografie geklärt werden, ob auch Herzkranzgefäßverengungen vorliegen und eine gleichzeitige Bypassoperation zu empfehlen ist.

Wichtig für den Patienten ist, sich nicht zu früh und nicht zu spät zur Operation zu entschließen. Wenn keine Beschwerden vorliegen, werden häufig zunächst Kontrolluntersuchungen in 6- bis 12-monatigem Abstand durchgeführt, und die Herzfunktion wird weiter beobachtet. Eine Ausnahme von dieser Regel stellt die Aortenklappenstenose dar, bei der tendenziell früh operiert wird, weil der Verlauf der Erkrankung unberechenbar ist.

Die besten Langzeitergebnisse und die geringsten Operationsrisiken sind gegeben, wenn die Pumpfunktion des Herzens zum Operationszeitpunkt noch nicht wesentlich nachgelassen hat und die entstandenen Schäden am Herzen noch rückbildungsfähig sind. Leider sterben ~ 3 % der Patienten bei der OP – das geringste Risiko besteht bei Klappenersatz wegen Aortenklappenstenose und bei Rekonstruktionen der Mitralklappe. Bei schlechtem Allgemeinzustand (Übergewicht, Diabetes, KHK, hohes Alter) steigen die Operationsrisiken für den Einzelnen erheblich, deshalb zögert der Arzt bei diesen Patienten den Operationszeitpunkt so weit wie möglich hinaus.

Sondertext: Herzklappenprothesen

Selbsthilfe

Wurden bei Ihnen Schäden an den Herzklappen festgestellt, beachten Sie die Empfehlungen zur Endokarditisprophylaxe. Sie vermeiden damit schwerwiegende Komplikationen. Sportliche Aktivitäten und schwere körperliche Belastungen müssen Sie mit dem Arzt absprechen.

Achten Sie bei mechanischen Herzklappenprothesen sorgfältig auf eine gut eingestellte Gerinnungshemmung und nehmen Sie die empfohlenen Kontrolluntersuchungen wahr. Besonders bei Mitralklappenprothesen ist die Gefahr einer Gerinnselbildung groß, und die gerinnungshemmende Therapie ist daher besonders ernstzunehmen.

Weiterführende Informationen

  • K. Bauer; J. Ennker: Herzklappenchirurgie. Ein Patientenratgeber. Steinkopff, 2004. Informationen zu Herzklappenerkrankungen und den operativen Therapiemöglichkeiten.

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