Fußdeformitäten
Fußdeformität: Anlagebedingte Verformung der Füße mit Fehlstellung der Knochen und typischer Veränderung der Fußgewölbe.
Häufigste erworbene Deformität ist der Spreizfuß mit Absenkung des Quergewölbes, begünstigt durch Fehlbelastung des Fußes. Beim Plattfuß ist das Längsgewölbe abgeflacht. Er ist entweder angeboren oder erworben, manchmal als Restzustand eines normalen kindlichen Knick-Senkfußes. Der Hohlfuß zeigt eine Überhöhung des Längsgewölbes, in schwerer Form als Folge von Lähmungen der Fußmuskeln. Sichelfuß und Klumpfuß sind meist angeborene Fehlbildungen.
Leitbeschwerden
- Sichtbare Fehlstellung des Fußes, besonders bei angeborenen Deformitäten
- Belastungsabhängige Fußschmerzen
- Druckschmerzhafte Schwielen und Hühneraugen, Druckgeschwüre und Zehenverformungen bei Spreiz,- Platt- und Hohlfüßen
- Verstärkte X-Bein-Stellung bei Knick-Senkfüßen
- Einwärtsgerichteter Gang bei Sichelfüßen
- Vermehrtes Ablaufen des äußeren Schuhrands bei Spreizfüßen.
Wann zum Arzt
In den nächsten Wochen bei allen unklaren Schmerzen am Fuß.
Die Erkrankung
Der gesunde Fuß ist einem Dreibein-Stativ sehr ähnlich. Die Ferse und die Ballen der äußeren Zehen bilden die drei Beine, zwischen die das Fußgewölbe gespannt ist. Im Vorfuß liegt zwischen den Ballen von großem und kleinem Zeh das Quergewölbe. Zwischen Vor- und Rückfuß befindet sich das Längsgewölbe, das maximal am inneren Fußrand zwischen Ferse und Großzehenballen ausgeprägt ist. Bänder und Sehnenplatten halten die Spannung in den Fußgewölben aufrecht. Für eine normale Fußform ist außerdem eine korrekte Stellung der Fußwurzelknochen erforderlich. In diesem komplizierten Lastenverteilungssystem ergeben sich mehrere Möglichkeiten einer Störung:
- Spreizfuß (Pes transverso planus): Bei dieser am häufigsten erworbenen Fußdeformität senkt sich das Quergewölbe ab. Das Körpergewicht ruht dadurch nicht mehr auf den äußeren Zehenballen, sondern auf den körperfernen Enden der zweiten bis vierten Mittelfußknochen, die bei einem gesunden Fuß den Boden nicht berühren. Die Anlage zum Spreizfuß ist erblich, kommt jedoch oft erst durch äußere Einflüsse zum Tragen, z. B. durch übermäßiges Stehen im Beruf, rasche Gewichtszunahme (z. B. in der Schwangerschaft), Heben schwerer Lasten oder durch modische Schuhe mit hohen Absätzen und schmaler Spitze. Oft macht auch ein ausgeprägter Spreizfuß keinerlei Beschwerden. Wird er jedoch schmerzhaft, ist manchmal von einem entzündlichen Spreizfuß die Rede – eine irreführende Bezeichnung, da den Beschwerden keine Entzündung zugrunde liegt. Eine typische Komplikation des Spreizfußes ist die Metatarsalgie, eine ebenso häufige wie unangenehme Erkrankung, die durch mechanische Reizung kleiner Nervenäste entsteht. Sie äußert sich in attackenartigen, brennenden oder elektrisierenden Schmerzen und/oder Kribbeln am Vorfuß, meist zwischen dem dritten und vierten Zeh.
- Senkfuß,Knickfuß (Pes valgus): Diese Fußvarianten sind im Kleinkindalter sehr verbreitet und treten meist gemeinsam als Knick-Senkfuß auf. Sie werden bei Gehbeginn auffällig und zeigen sich in einer verstärkten X-Stellung der Ferse (Knickfuß) und einer Abflachung des inneren Fußgewölbes bei Belastung des Fußes (Senkfuß). Im unbelasteten Zustand zeigt der Fuß eine normale Form. Ein Knick-Senkfuß findet sich gehäuft bei Kindern mit Sehnen- und Bänderinstabilität, O-Beinen oder X-Beinen und Übergewicht. Er macht in der Regel keine Beschwerden und wächst sich meist folgenlos aus. Nur selten entwickelt er sich zu einem Plattfuß.
- Plattfuß (Pes planus): Auch diese Deformität zeichnet sich durch eine Abflachung des Längsgewölbes aus, die jedoch auch im unbelasteten Zustand bestehen bleibt, also fixiert ist. Die seltene angeborene Form ist auch unter dem Namen Tintenlöscherfuß bekannt. Der hochschmerzhafte Lehrlingsplattfuß entwickelt sich gelegentlich aus einem kindlichen Senkfuß, tritt aber meist erst in der Pubertät auf. Unbehandelt geht er oft in einen Erwachsenenplattfuß über, wobei typischerweise die belastungsabhängigen Fußschmerzen wieder abnehmen.
- Hohlfuß (Pes excavatus): Hier ist das innere Längsgewölbe zwischen Ferse und Großzehenballen überhöht; dadurch nimmt die Ferse meist eine nach innen gerichtete Stellung (O-Stellung) ein. Neben einer leichten anlagebedingten Variante gibt es eine schwere Form, die sich über mehrere Jahre als Folge von Bein- und Fußmuskellähmungen entwickelt, z. B. bei amyotropher Lateralsklerose, schweren Schädel-Hirn-Verletzungen oder Rückenmarktumoren.
- Sichelfuß (Pes adductus): Mittelfuß und Zehen sind bei dieser Deformität verstärkt nach innen gewölbt. Die angeborene Form des Sichelfußes wird oft über beide Elternteile vererbt und ist gelegentlich fixiert, also nicht aktiv zu korrigieren. Die erworbene Sichelstellung entwickelt sich im Lauf des 1. Lebensjahrs, oft bei Säuglingen, die sich überwiegend in Bauchlage befinden. Wird der äußere Fußrand immer wieder mit einem Finger bestrichen, verliert der Fuß die Sichelhaltung und richtet sich gerade ein.
- Klumpfuß (Pes equinovarus adductus): Diese schwere Deformität, die bei einem von 1 000 Neugeborenen auftritt, besteht aus einer Kombination von Hohlfuß, Sichelfuß, Spitzfußstellung und extremer O-Stellung im Sprunggelenk. Die Fußsohle ist nach innen gekehrt, in schweren Fällen sogar nach oben gerichtet. Es handelt sich dabei um eine komplizierte Fehlbildung des gesamten Fußes, die insbesondere die knöchernen Fußwurzeln, Bänder und Sehnen betrifft. Auch die Wadenmuskulatur ist deutlich unterentwickelt. Im Gegensatz zu einer der Form nach ähnlichen, jedoch unbedenklichen Gewohnheitshaltung von Säuglingen ist der Klumpfuß weitestgehend versteift und lässt sich nur durch starken Druck korrigieren. Selten entsteht ein Klumpfuß auch im späteren Alter als Folge schwerer Verletzungen oder neurologischer Erkrankungen (z. B. Verletzung von Beinnerven).
Spreiz-, Platt- und Hohlfüße führen unbehandelt gelegentlich zu zunehmenden belastungsabhängigen Schmerzen, langfristig auch zu Zehenverformungen wie Ballenzehen oder Hammerzehen und zu frühzeitigen Arthrosen in der Fußwurzel. Durch die unnormale Lastenverteilung und die veränderte Oberflächenform entstehen Schwielen, Hühneraugen und Druckstellen.
Das macht der Arzt
Diagnosesicherung. Die genaue Untersuchung des Fußes (stehend, gehend und liegend) ergibt die wichtigsten Hinweise auf die Erkrankung. Im Stehen beurteilt der Arzt die Form des Fußes unter Belastung, beim Gehen erkennt er dynamische Störungen, etwa beim Aufsetzen des Fußes oder während des Abrollvorgangs. Im Liegen lässt sich der Fuß ohne Belastung untersuchen, z. B. auf die Beweglichkeit der Fußgelenke oder die Hautdicke und Schwielenbildung an der Fußsohle. Viele Deformitäten haben ein charakteristisches Verschwielungsmuster, das sie eindeutig erkennbar macht. Ebenso aufschlussreich ist es für den Arzt, wenn Schuhe schief gelaufen oder Absätze einseitig abgetragen sind.
Fußform und Belastungszonen lassen sich am einfachsten durch Abdrücke auf speziellem Blaupapier dokumentieren. Dem gleichen Zweck dienen Spezialuntersuchungen wie die Podografie, die elektronische Fußabdrücke auf dem Monitor erstellt, oder die Podoskopie, die mit einer Glasplatte und Spiegeln arbeitet. Röntgen und CT zeigen die Fußknochen und deren Stellung zueinander. Insbesondere bei schweren und operationspflichtigen Fehlstellungen sind sie unerlässlich.
Therapie. Die Behandlung der Fußdeformitäten ist ebenso unterschiedlich wie ihre Ursache. Knick-Senkfüße bei Kindern erfordern meist keine spezifische Therapie; nur sehr ausgeprägte Fehlstellungen profitieren von Schuheinlagen. Die dazu verwendeten Schaleneinlagen richten das Fußgewölbe mit einem hochgezogenen seitlichen Rand und einem Fersenkeil auf. Im späteren Alter helfen Einlagen, Fußbeschwerden bei Spreiz-, Platt- und Hohlfüßen zu lindern. Durch Wulste im Mittelfußbereich unterstützen sie das Quergewölbe (Spreizfuß) oder Längsgewölbe (Plattfuß). Bei schmerzhaften Hohlfüßen kommen Stufeneinlagen zum Einsatz. Lassen sich die Beschwerden trotz konsequenter Benutzung der Einlagen nicht reduzieren, ist zusätzlich eine Therapie mit Schmerzmitteln (NSAR) indiziert.
Schwere Fehlstellungen, deren Ursache neurologische Erkrankungen sind, lassen sich ebenso wie angeborene Klump- oder Sichelfüße nicht ausreichend durch Einlagen behandeln. In diesen Fällen gelingt es nur durch orthopädische Spezialschuhe, den deformierten Fuß weich zu betten und dabei doch so straff zu führen, dass ein beschwerdefreies Gehen möglich ist. Entscheidend für den Erfolg ist die individuelle Anfertigung nach Maß durch einen Orthopädieschuhtechniker.
Bevor angeborene Klumpfüße mit orthopädischen Schuhen versorgt werden, haben sie bereits eine langwierige Behandlung hinter sich. Diese beginnt wenige Stunden bis Tage nach der Geburt mit einer Gipsbehandlung, die sich unter mehrfachem Gipswechsel über mehrere Wochen hinzieht. Anschließend erhalten die Kinder Lagerungsschalen, um den Korrekturerfolg aufrechtzuerhalten.
Ein ähnliches Behandlungsschema gilt für den angeborenen fixierten Sichelfuß. Bei einer nicht fixierten oder erworbenen Sichelstellung reicht es dagegen meist aus, den Fuß wiederholt in eine Normalstellung zu drücken. Auch regelmäßiges leichtes Bestreichen des äußeren Fußrands fördert die normale Ausrichtung des Fußes. Schaumstoffringe für die Unterschenkel helfen in der Bauchlage, eine Sichelhaltung durch Aufliegen der Füße auf dem Außenrand zu verhindern.
In seltenen Fällen ist bei angeborenen oder erworbenen Fußdeformitäten auch eine operative Behandlung erforderlich, z. B. bei angeborenen Klump-, Sichel- und Plattfüßen, schweren Hohlfüßen oder Plattfüßen aufgrund von Arthrosen.
Vorsorge und Selbsthilfe
Die wichtigste Maßnahme ist eine Kräftigung der Sehnen, Bänder und Muskeln von Kindesbeinen an, z. B. durch häufiges Barfußlaufen und spielerisches Gehen auf Zehenspitzen oder Ferse. Um Fehlbelastungen zu vermeiden, ist bei Schuhen auf eine ausreichend weite Zehenkappe zu achten. Wer nicht auf hohe Absätze verzichten will, wählt möglichst eine Sohlenform mit waagrechter Stellung im Absatzbereich; je steiler nämlich der Neigungswinkel im Fersenteil des Schuhs ist, desto höher ist die Belastung für den Vorfuß.
Komplementärmedizin
Auch wenn sie keinen Einfluss auf die Fußfehlstellung selbst haben, scheinen begleitend eingesetzte komplementärmedizinische Methoden wie Magnettherapie, Akupunktur und Homöopathie in einigen Fällen die durch die Fehlbelastung hervorgerufenen Schmerzen zu lindern.